28.06.2020
Kindergelderhöhung kommt bei Trennungskindern nicht an
Ab dem 1. Juli 2019 gibt es zehn Euro mehr Kindergeld – bei fast allen Alleinerziehenden wird trotzdem nicht mehr Geld im Portmonee ankommen. Denn in gleicher Höhe wie das Kindergeld steigt, sinkt der Unterhaltsvorschuss oder die SGB II-Leistung, kritisiert der Verband allein erziehender Mütter und Väter Landesverband NRW (VAMV NRW). „Das Familienentlastungsgesetz hat seinen Namen nicht verdient“, sagt Nicola Stroop, Vorstand des VAMV NRW. „Denn die am stärksten belasteten Familien gehen dabei leer aus.“
Elena Fronk ist Mitglied beim VAMV NRW. Sie will diese Ungerechtigkeit nicht einfach hinnehmen. Beim Blick auf ihren neuen Bescheid zur Berechnung des Unterhaltsvorschusses fiel der alleinerziehenden Mutter von Zwillingen auf, dass die geplante Kindergelderhöhung ihren Kindern gar nicht zu Gute kommen wird. „Die zehn Euro, die die meisten Familien mehr bekommen, werden bei uns über den Unterhaltsvorschuss direkt wieder abgezogen“, beklagt die Techniksoziologin aus Essen. Sie hat eine Petition gestartet, die bald 20.000 mal unterzeichnet wurde. „Wie kann es sein, dass Verbesserungen, die Familien entlasten und stärken sollen, bei Einelternfamilien nicht ankommen?“, fragt Elena Fronk. Eine Frage, die auch Nicola Stroop vom VAMV NRW nicht beantworten kann: „Die Kindergelderhöhung ist eine Maßnahme, die wieder nur auf die klassische Paarfamilie abzielt.“
Höheres Kindergeld senkt Unterhalt- und Sozialleistungsansprüche
Direkt nach Bekanntgabe des Familienentlastungspakets im Juni 2018 hat der VAMV kritisiert, dass ein höheres Kindergeld Unterhalts- und Sozialleistungsansprüche senkt. Studien zufolge erhält etwa die Hälfte der Kinder von Alleinerziehenden gar keinen Unterhalt, ein weiteres Viertel lediglich sporadisch. Die Mehrheit der Einelternfamilien ist damit auf den staatlichen Unterhaltsvorschuss angewiesen, auf den das Kindergeld voll angerechnet wird: Ein um zehn Euro höheres Kindergeld senkt wiederum den Unterhaltsvorschuss um die gleiche Summe. In vergleichbarer Weise wird das Kindergeld im Grundsicherungsbezug angerechnet, so dass der Leistungsanspruch nach dem SGB II/XII für die betroffenen Familien analog zu der geplanten Kindergelderhöhung sinkt. Unter den Einelternfamilien mit minderjährigen Kindern waren im Jahr 2015 bundesweit 38,1 Prozent auf SGB II-Leistungen angewiesen. Die Kindergelderhöhung geht somit gerade an den armutsbetroffenen Einelternfamilien vollständig vorbei, obwohl die Koalitionsparteien zeitgleich die Bekämpfung von Kinderarmut auf ihre Agenda gesetzt haben.