Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V.

Verband allein erziehender Mütter und Väter
Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.

Brandbrief: Betreuungslücken schließen – Fachkräfte gewinnen

Zeitraum: 2018

Essen, 10.10.2018. Der Verband allein erziehender Mütter und Väter Landesverband NRW (VAMV NRW) fordert von den Kommunen in NRW die Umsetzung der ergänzenden Kinderbetreuung. „Wir sind entsetzt, dass die Kommunen in diesem Bereich in den vergangenen Jahren keinen Schritt vorangekommen sind“, sagt Antje Beierling, Vorstand des VAMV NRW. „Unzählige Studien haben die Ursachen für Kinderarmut benannt, doch an dem Punkt, an dem wirksam etwas getan werden könnte, passiert nichts“, beklagt der VAMV NRW weiter.

Die ergänzende Kinderbetreuung schließt die Betreuungslücke, wenn Kindergarten und OGS noch nicht oder nicht mehr geöffnet haben. Alleinerziehenden Eltern macht diese Lücke eine existenzsichernde Berufstätigkeit oft unmöglich. Die Stadt Essen hat in die ergänzende Kinderbetreuung investiert und 20 Alleinerziehenden ermöglicht, die Berufstätigkeit zu sichern oder eine Berufsausbildung zu absolvieren. Eine Investition, die sich lohnt, wie nun Dr. Uta Meier-Gräwe, Professorin für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft, in einer Kosten-Nutzen-Analyse bestätigt: Jeder Euro, der in die ergänzende Kinderbetreuung investiert wird, kommt sechsfach zurück, lautet das Ergebnis. Der VAMV NRW fordert die Kommunen in einem Brandbrief deshalb auf zu handeln.
 

Ergänzende Kinderbetreuung mit einem Return on Invest von 1:6

Die ergänzende Kinderbetreuung beispielsweise für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern kostet die Stadt Essen bei einer siebenjährigen Laufzeit rund 41.350 Euro. Die Mutter kann eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolvieren und später Vollzeit im Schichtdienst arbeiten. „In einem positiven Szenario steht dieser Summe eine Wertschöpfung durch Erwerbsarbeit in Höhe von 243.410 Euro gegenüber. Der Return on Investment (ROI) beträgt damit knapp 1:6“, so Dr. Uta Meier-Gräwe. Weiter sagt sie: „Ich bin immer wieder erstaunt, wie gering das öffentliche Bewusstsein über die hohen Folgekosten einer lebenslangen Abhängigkeit von Transferleistungen ist und wie gering dagegen die Kosten für passgenaue Unterstützungsmaßnahmen aussehen.“
 

Von der Hartz-IV-Empfängerin zur Fachkraft

In Essen haben dank der ergänzenden Kinderbetreuung mehrere alleinerziehende Müttern eine Ausbildung im Pflegebereich absolvieren können beziehungsweise stehen kurz vor Ausbildungsabschluss. Wenn Sie im Früh-, Spät- oder Nachtdienst oder am Wochenende arbeiten, betreuen ehrenamtliche Kinderfeen ihre Kinder im Haushalt der Familie. „Viele dieser Frauen waren vorher von Transferleistungen abhängig“, sagt Antje Beierling, vom VAMV NRW. „Dank der ergänzenden Kinderbetreuung konnten sie sich von der Hartz-IV-Empfängerin zur Fachkraft entwickeln“, so Beierling weiter.

Der Personalmangel im Pflegebereich ist dramatisch. Erst kürzlich gab die Freie Wohlfahrtspflege bekannt, dass in NRW wegen personeller Engpässe monatlich die Anfragen von rund 9000 Hilfe suchende Menschen abgewiesen werden müssen. Eine Notlage, die behoben werden kann: „Wir haben Menschen in NRW, die gerne in der Pflege arbeiten wollen“, so Antje Beierling vom VAMV NRW. „Die Kommunen haben es in der Hand, die Rahmenbedingungen mit der Umsetzung der ergänzenden Kinderbetreuung zu verändern und damit gleich zwei brennende Probleme zu lösen.“