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27.09.2021

AWO Fachtag: Experten fordern mehr Unterstützung aus einer Hand für Alleinerziehende

Essen, 27.09.2021 Die Arbeiterwohlfahrt Nordrhein-Westenfalen (AWO NRW) hat zu dem Fachtag "Alleinerziehende stärken" eingeladen. Unser Vorstand Nicola Stroop und unsere Fachreferentin Anja Stahl machten dort deutlich, wie wichtig eine passgenaue Unterstützung für Alleinerziehende ist. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit der Professorin für Familien- und Jugendhilferecht, Dr. Anne Lenze von der Hochschule Darmstadt, die SPD-Landtagsabgeordnete Anja Butschkau und Dr. Victoria Schnier der G.I.B. NRW formulierten sie Forderungen an die Politik.

Im Mittelpunkt des Fachtages stand die Lebenslage von alleinerziehenden Müttern und Vätern. Die Juristin Prof. Dr. Anne Lenze, die unter anderem Autorin der Veröffentlichung "Alleinerziehende unter Druck" der Bertelsmann Stiftung ist, ordnete diese wissenschaftlich ein: „Das Armutsrisiko alleinerziehender Familien ist viermal so hoch wie das von Paarfamilien – ein extremer Wert im europäischen Vergleich,“ so Lenze. Sie erläuterte, dass 38 Prozent der alleinerziehenden Mütter eine Tätigkeit ausüben, die nicht dem erlernten Beruf entspricht, bei den Müttern aus Paarfamilien liege der Anteil bei nur 29 Prozent . „Alleinerziehende Frauen nehmen eher Beschäftigungen an und haben weniger Möglichkeit, noch zu warten, bis sich etwas Geeigneteres findet“, interpretiert Lenze die Ergebnisse.

Was das im Alltag für Alleinerziehende bedeutet, konnte unsere Fachreferentin Anja Stahl genauer ausführen. Sie berichtete, mit welchen Fragen und Problemen sich Alleinerziehende an unsere Hotline wenden und welche Herausforderungen sie vor allem in der Corona-Krise meistern mussten. „Die vergangenen anderthalb Jahre werden Folgen haben“, lautete das Fazit von Anja Stahl. Der jüngste Familienreport der Bundesregierung hat die dazu gehörigen Daten geliefert: 23 Prozent der alleinerziehenden Angestellten wurden in der Pandemie zeitweise freigestellt oder mussten permanent aus der Arbeitssituation ausscheiden. 43 Prozent der alleinerziehenden Selbständigen mussten ihre Tätigkeit sogar komplett einstellen. In den vergangenen Monaten habe die Politik zwar Maßnahmen zur Unterstützung von Alleinerziehenden realisiert – so zum Beispiel zusätzliche Kinderkrankentage, Entschädigungsleistungen im Falle einer behördlich angeordneten Quarantäne oder der Kinderbonus. Diese Leistungen seien aber in weiten Teilen realitätsfern und komplizier zu beantragen und deshalb bei sehr vielen berufstätigen Alleinerziehenden gar nicht angekommen. Anja Stahl bekräftigte deshalb die Forderung nach weiteren Maßnahmen, die zu einer nachhaltigen Entlastung von Alleinerziehenden führen.

Muna Hischma, Abteilungsleiterin Soziales der AWO Westliches Westfalen, bestätigte das: „Wir sprechen nicht von wenigen Ausnahmen,“ mahnte Muna Hischma. „Deutschlandweit sind 19 Prozent aller Familien mittlerweile Ein-Eltern-Familien. In NRW sprechen wir von einem Fünftel der Familien und hiervon befinden sich knapp 40 Prozent im ALG-II-Bezug. Auch wenn bereits gute Maßnahmen getroffen wurden und die Wahrnehmung für die Bedarfe von Alleinerziehenden erhöht ist – es ist noch viel Luft nach oben und es müssen weitere entscheidende Rahmenbedingungen verändert und verbessert werden."

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden dringende Handlungsbedarfe dezidiert angesprochen. „In NRW haben wir über mehr als 38.000 Alleinerziehende ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung,“ informiert Dr. Victoria Schnier der G.I.B. NRW. Sie appellierte, dass es spezielle und gezielte Angebote für Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt brauche. Die Zielgruppe müsse noch viel stärker in den Blick genommen werden. Unser Vorstand, Nicola Stroop, machte deutlich, dass viele der Alleinerziehenden oftmals einen anderen Lebensplan verfolgt haben, der nun neu strukturiert und unterstützt werden müsse – unter Berücksichtigung ihrer psychischen Belastungssituation.

Zusammenfassung der zentralen politischen Forderungen:

  •     Einführung einer Kindergrundsicherung
  •     Erhöhung des steuerlichen Entlastungsbetrages/Steuergerechtigkeit
  •     Verbesserung der Kinderbetreuung in den Randzeiten
  •     Kita- und Schulschließungen nur im Notfall
  •     Notfallbetreuung im Fall einer Schließung
  •     Rechtsanspruch auf Reduzierung der Arbeitszeiten mit finanzieller Absicherung
  •     Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bis zum 14. Lebensjahr (auch zu Randzeiten)
  •     Schutz vor Altersarmut
  •     Entlastung von den Wohnkosten
  •     Ambulante Gesundheitsprogramme
  •     Flächendeckende Beratungsstellen, welche die Vielfalt an Beratungsthemen berücksichtigen und zentralisieren
  •     Zielgerichtete Betreuung/Vermittlung in Jobcentern und Arbeitsagenturen
  •     Unbürokratische Finanzierung von Haushaltsdienstleistungen in bestimmten Konstellationen
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